Rechenregeln für den Erwartungswert
Summe zweier Zufallsvariablen
Angenommen, wir führen unser Beispiel aus dem Artikel über diskrete Zufallsvariablen weiter, und werfen jetzt nicht einen, sondern zwei Würfel. Nennen wir die Zufallsvariable für den ersten Würfel
Wir könnten jetzt aufwändig alle möglichen Ergebnisse von
Über diese gemeinsame Dichte können wir dann den mit der Formel den Erwartungswert bilden.
Oder wir machen es uns einfach und benutzen folgende Formel:
Der Erwartungswert der Summe zweier Würfel ist also die Summe beider Erwartungswerte (den Satz muss man vielleicht zweimal lesen). Der Erwartungswert eines Wurfes ist ja 3.5; das haben wir hier schon berechnet. Bei unserem Beispiel ist
Das klingt eventuell selbstverständlich. Dass das nicht so ist, sieht man bei der nächsten Rechenregel, die nur im Spezialfall unabhängiger Zufallsvariablen gilt.
Produkt zweier unabhängiger Zufallsvariablen
Was, wenn wir wie oben zwei Würfel werfen, und den Erwartungswert vom Produkt statt der Summe der Augenzahlen berechnen möchten? Unter der Bedingung, dass zwei Zufallsvariablen unabhängig sind, geht das:
und damit ist unser gesuchter Erwartungswert
Vorsicht: Bei abhängigen Zufallsvariablen gilt diese Regel nicht. Ein Beispiel für zwei Zufallsvariablen, die voneinander abhängig sind, ist
und das ist nicht dasselbe wie
Lineartransformationen
Angenommen, der Wetterbericht verrät euch, dass die erwartete Außentemperatur morgen 24 Grad Celsius (°C) beträgt, könnt ihr daraus die erwartete Außentemperatur in Grad Fahrenheit (°F) berechnen?
Natürlich. Und das ist die Idee hinter dieser Formel:
Von °C rechnet man wie folgt in °F um:
Transformationsregel
Manchmal bildet man aus einer Zufallsvariablen eine neue Zufallsvariable, wenn man nicht an dem Ergebnis eines Zufallsexperiments interessiert ist, sondern an einer Transformation davon.
Schauen wir uns ein vereinfachtes Casinospiel an: Wir werfen einen Würfel. Kommt eine 1 oder 2, verlieren wir 15€. Kommt aber eine 3, 4, 5, oder 6, gewinnen wir 5€. Ist das ein Spiel, das wir spielen können? Oder, anders formuliert, hat dieses Glücksspiel einen positiven Erwartungswert?
Unsere alte Zufallsvariable ist der Würfelwurf,
Wir können
Die Transformationsregel hilft uns nun, den Erwartungswert von
Dabei ist
Somit ist der Erwartungswert dieses Glücksspiels -1.667€, und damit negativ. Es lohnt sich also nicht, zu spielen. Ist auch keine Überraschung, da es ein Casinospiel ist. 🙂
Für stetige Zufallsvariablen greift genau dasselbe Konzept, aber die Summe wird durch ein Integral ersetzt. Die Formel wird etwas schwieriger zu berechnen und lautet hier
Die häufigste Anwendung dieser Regel ist wohl bei der Berechnung der Varianz einer Zufallsvariablen zu finden. Hier können wir den Verschiebungssatz anwenden, und uns bei der Berechnung einiges an Zeit sparen, wenn wir
Rechenregeln für die Varianz
Lineartransformationen
Die Varianz einer Zufallsvariablen ändert sich nicht, wenn ich zu jeder Realisierung einen festen Wert
Wenn der Wetterbericht also wie oben erklärt, für morgen eine erwartete Temperatur von
Summe zweier unabhängiger Zufallsvariablen
Möchten wir die Varianz der Summe zweier Zufallsvariablen bestimmen, ist es sehr hilfreich, wenn die beiden Zufallsvariablen voneinander unabhängig sind. Dann ist die Varianz der Summe nämlich gleich der Summe der einzelnen Varianzen:
Falls
Der Verschiebungssatz
Der Verschiebungssatz ist eine Regel, mit der wir die Varianz einer Zufallsvariablen umformen. Wir können die Varianz dadurch mit einer anderen Formel berechnen, die in den meisten Fällen (auf Papier und im Taschenrechner) viel einfacher geht. Die Varianz ist (für beide Fälle, stetige und diskrete Zufallsvariablen) durch den Verschiebungssatz definiert als
Der zweite Teil der Differenz, nämlich
Der erste Teil,
Beispiel Verschiebungssatz: Varianz eines Würfelwurfs
Den Verschiebungssatz veranschaulicht man am besten anhand eines Beispiels. Wir können die Varianz eines Würfelwurfs zwar theoretisch einfach durch die Formel der diskreten Gleichverteilung berechnen, wie es im verlinkten Artikel geschieht. Aber die allgemeine Formel ist natürlich immer noch gültig. Die ganz allgemeine (aber auch ganz aufwändige) Formel lautet ja
Wenn wir
Über den Verschiebungssatz geht das nun auch. In diesem einfachen Beispiel ist das nicht viel schneller, aber sobald der Träger größer ist, d.h. mehr Ausprägungen möglich sind, nimmt das viel Arbeit ab. Wir brauchen also
Schließlich erhalten wir die Varianz, natürlich dasselbe Ergebnis, aber mit einer anderen Methode berechnet:
Hallo,
wie kann ich feststellen, ob X und Y unabhängig sind?
Für (X+Y) z.B
Das ist in diesem Artikel beschrieben: https://www.crashkurs-statistik.de/unabhaengigkeit-zweier-zufallsvariablen/
Hallo Alex,
zuerst vielen Dank für deinen wunderbaren Blog!
Eine Frage zur Transformation der Varianz:
Wenn man alle Mittelwerte einer Verteilung verdoppelt, wie verändert sich die Varianz?
Würde das zu 2^2 als Varianz führen?
Beste Grüße
Mit ‚Mittelwerte‘ meinst du einfach nur alle Werte, oder? Eine Verteilung hat nämlich nur einen Mittelwert 🙂
In dem Falle stimmt das.
Wie genau rechne ich denn E(X^2) aus
Hi,
ich habe unten gerade den Abschnitt „Beispiel Verschiebungssatz: Varianz eines Würfelwurfs“ ergänzt, da wird das erklärt. Ich hoffe das hilft 🙂
VG
Alex
Hey,
könntest du mir kurz sagen, wie du ganz oben bei
E(X+Y) = E(X) + E(Y) = 3.5 + 3.5 = 7
für das Beispiel auf die 3.5 kommst? Also wieso ist der Erwartungswert für X und für Y 3,5?
Hi,
das wird hier erklärt:
http://www.crashkurs-statistik.de/darstellung-und-eigenschaften-von-diskreten-zufallsvariablen/#erwartungswert
Gruß,
Alex
Aaaah, super! Vielen Dank 🙂
Hi,
könntest du mir erklären wie du auf
ℙ(X+Y=7)= 1/6
gekommen bist?
Hi – ich habe den entsprechenden Paragraphen jetzt ein bisschen ausführlicher erklärt. Ist es so verständlicher?
Gruß,
Alex
im ersten satz von ‚Lineartransformation‘ muss es ‚verrät‘ und nicht ‚verratet‘ heißen 🙂
Ähem. Hoppla 🙂
Vielen Dank für den Hinweis!